Die Fachtagung hat deutlich gemacht, dass das Potenzial junger Menschen mit Behinderung noch intensiver genutzt werden muss...
"Nicht behindert zu sein,
ist wahrlich kein Verdienst,
sondern ein Geschenk,
das jedem von uns jederzeit
genommen werden kann."
(Richard von Weizsäcker)
RÜCKBLICK: Online-Fachtagung "Inklusive Berufsausbildung" am 1. Dezember 2020
In den 30 Jahren seines Bestehens hat sich der Verband der Wirtschaft Thüringens stets dafür stark gemacht, bei der Suche nach Fachkräften auf alle Zielgruppen am Arbeitsmarkt zu schauen. Der Abbau von bürokratischen Hürden für die Einstellung und die Ausbildung von Menschen mit Behinderung war uns dabei stets ein besonderes Anliegen.
Traditionell haben wir daher bereits seit Jahren in der bundesweiten "Woche der Menschen mit Behinderung" die Beschäftigungssituation gemeinsam mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit erläutert und für das Thema sensibilisiert.
Wie sieht es aktuell in Sachen Berufsausbildung von jungen Menschen mit einer Behinderung aus? Was klappt gut? Wo klemmt es? Wie können wir das Potenzial von Menschen mit einer Beeinträchtigung noch besser nutzen?
Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt des VWT-Fachtags "Inklusive Berufsausbildung", die als Online-Veranstaltung am 1. Dezember 2020 stattfand.
In seinem Grußwort machte Stephan Fauth, Hauptgeschäftsführer des VWT, deutlich, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen am Alltag und in der Arbeitswelt teilhaben zu lassen. "In den letzten Jahren hat sich in der inklusiven Berufsausbildung einiges bewegt. Immer mehr Firmen setzen sich inzwischen mit dem Thema auseinander und stellen Menschen mit Behinderungen ein. Das war nicht immer so. Um das zu verändern, brauchte es vor allem mehr Aufklärung über konkrete Unterstützungsvarianten. Firmen brauchen praktische Hilfe. Einzelfallbegleitung gehört dazu", so Stephan Fauth. Er lobte die Arbeit des "Inklusionsnetzwerks Thüringen" unter Leitung des Bildungswerks der Thüringer Wirtschaft e.V., in dem sich zahlreiche Akteure für mehr Beteiligung behinderter Menschen im Arbeitsalltag einsetzen, dessen Förderung durch den Freistaat mit Ablauf dieses Jahres jedoch ausläuft. "Informationen, Beratung und praktische Unterstützung brauchen die Firmen jedoch auch in der Zukunft", sagte Stephan Fauth.
"Zugleich geben immer mehr Unternehmen Menschen mit Behinderungen - egal ob als Auszubildende oder Beschäftigte - eine Chance. "Wir wissen aus den Vermittlungsprojekten für Menschen mit Behinderungen, dass sie meistens gut qualifiziert und lernbereit sind. Sie sind loyal, motiviert und bringen aufgrund ihrer Alltagserfahrungen auch im Beruf neue Denkansätze, Ideen und Kreativität ein. Wenn sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt sind, spielt die Einschränkung oft keine Rolle mehr", betonte Stephan Fauth. Branchenübergreifend sind in Thüringen zahlreiche Ausbildungsstellen unbesetzt. "Das heißt, wir haben in Thüringen engagierte Unternehmen mit unbesetzten Ausbildungsplätzen und vor allem geeignete junge Menschen, die trotz ihrer (Lern-)Behinderung eine duale Ausbildung erfolgreich absolvieren könnten. Diese beiden Seiten gilt es zusammenzuführen. Daran müssen wir weiterarbeiten", appellierte Fauth.
Daran knüpfte auch Christoph Metzler, Economist für Ausbildung und Fachkräftesicherung im Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, in seinem Impulsvortrag "Inklusive Ausbildung - Möglichkeiten und Herausforderungen" an. Der Anteil unbesetzter Stellen in Engpassberufen liegt fast flächendeckend bei über 70 Prozent und höher. Bei der Betrachtung aller ausbildungsaktiven Unternehmen bestätigte sich, dass sich sowohl kleinere Firmen mit bis zu 49 Mitarbeitern als auch größere ab 250 Beschäftigten gleichermaßen engagieren und Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen eine Ausbildung ermöglichen. Weitere Informationen können seiner Präsentation entnommen werden.
Katrin Keller, Projektkoordinatorin "Inklusionsnetzwerk für Thüringer Unternehmen (IKN)" im Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. (BWTW), stellte die Themenfelder des IKN und dessen Schwerpunkte und die zahlreichen Beratungsprojekte vor. Auch nach Auslaufen der Förderung bleibt das BWTW am Inklusionsthema "dran", auch im Rahmen der neuen Seminarreihe "Schnell informiert" für Unternehmen ab Frühjahr 2021. Weitere Informationen können ihrer Präsentation entnommen werden.
In der virtuellen Podiumsdiskussion appellierte Joachim Leibiger, Beauftragter der Thüringer Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, an die Unternehmen, die eigene Attraktivität auch für Menschen mit Behinderungen zu steigern. Es sei zudem sehr wichtig, dass sich Mitarbeitende mit einer Behinderung im Unternehmen willkommen fühlen. Außerdem müsse die Diskrepanz zwischen Schule und Ausbildung überwunden werden. Er wünsche sich aber auch gezieltere rechtliche Rahmenbedingungen und mehr Inklusionsvereinbarungen in den Unternehmen, um damit zwischen den Betriebsparteien mehr Verbindlichkeit zu organisieren. Darüber hinaus regte er an, Unternehmen, die höhere Aufwendungen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen haben, finanziell zu unterstützen.
Markus Behrens, Geschäftsführer der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, betonte, dass es für die Unternehmen, die bislang keine Menschen mit Behinderungen ausgebildet oder eingestellt haben, ein Ansporn sein kann, wenn sie von praktischen Erfolgen aus anderen Unternehmen erfahren. Aus diesem Grund kommt auch der Würdigung von engagierten Unternehmen und der Verleihung des Inklusionspreises für die Wirtschaft eine große Bedeutung zu.
Udo Bauer, Leiter des Human Ressources Entwicklungscenter der Stadtwerke Erfurt, berichtete über Ausbildungsmessen, die die Erfurter Stadtwerke jährlich durchführen. Erfreulicherweise interessierten sich seit den letzten Jahren auch immer mehr Menschen mit Behinderungen auf diesen Veranstaltungen für einen Job oder eine Berufsausbildung. Die Stadtwerke Erfurt mit über 800 Mitarbeitern, darunter ein hoher Anteil an Menschen mit Beeinträchtigungen, arbeiten sehr eng und gut mit dem Inklusionsnetzwerk zusammen. Udo Bauer ist die "Kommunikation auf Augenhöhe" sehr wichtig. Bei möglichen Problemen sieht er die Gesellschaft insgesamt in der Pflicht - Unternehmen, Führungskräfte, jeder Mitarbeiter ist gefordert. Und auch die Unternehmer müssten sich fragen: "Wie nehmen wir Mitarbeiter mit." Das bedarf an einigen Stellen einer Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Mit Blick in die Zukunft sieht er einen enormen Personalbedarf infolge von altersbedingten Abgängen. Diesen will das Unternehmen auch mit behinderten Menschen decken.
Uwe Kintscher, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe Erfurt, lobte ebenso die gute Zusammenarbeit mit dem IKN. Er zeigte auf, dass die Lebenshilfe Erfurt zahlreiche Ausbildungsplätze anbieten könne, es aber an interessierten Jugendlichen fehle. Zudem hat er den Eindruck, dass das Instrument nicht ausreichend bekannt sei.
In ihren Schlusssätzen brachten es die Protagonisten kurz und knapp auf den Punkt:
"Inklusive Berufsausbildung braucht…":
Die Fachtagung hat deutlich gemacht, dass das Potenzial junger Menschen mit Behinderung noch intensiver genutzt werden muss. Etwa durch die noch gezieltere Ansprache, auch der Eltern. Zugleich können wir auf den zahlreichen gelungenen Beispielen aufbauen, die zeigen, dass und wie es gelingt, die Bedarfe von Bewerbern und Unternehmen miteinander zu verbinden.
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bis zum 31. März 2021.
www.inklusionspreis.de
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