Mo-Do: 8-17 Uhr, Fr: 8-15 Uhr
Verbandsmitteilungen

Tarifzwang statt Tarifautonomie – mehr Bürokratie und Diskriminierung bremsen Wirtschaftswende aus

Gemeinsame Pressemitteilung

 

Die mitteldeutschen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände AWSA, VSW und VWT lehnen den aktuellen Referentenentwurf für das sogenannte Bundestariftreuegesetz (BTTG) entschieden ab. Der Gesetzentwurf stellt einen tiefen Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Prinzipien dar. Er benachteiligt gezielt weite Teile der mittelständisch geprägten Wirtschaft in Mitteldeutschland und untergräbt bereits vor Ablauf der ersten 100 Tage das Vertrauen in die neue Bundesregierung.

In einem gemeinsamen Schreiben an Bundeskanzler Friedrich Merz, dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn sowie den drei Ministerpräsidenten und der Wirtschaftsministerin bzw. den Wirtschaftsministern der mitteldeutschen Länder stellen die drei BDI/BDA-Landesvertretungen gemeinsam klar:
„Die Tarifautonomie ist keine staatlich steuerbare Wunschliste, sondern ein verfassungsrechtlich geschütztes Prinzip. Wer wirtschaftliche Vielfalt, fairen Wettbewerb und echte soziale Verantwortung will, muss alle leistungsfähigen Unternehmen gleich behandeln – unabhängig von ihrer Tarifbindung. Alles andere ist politische Willkür – sowie ein gefährlicher Rückschritt für Wirtschaft, Freiheit und Verfassung.“

 

Marco Langhof, Präsident des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands Sachsen-Anhalt (AWSA), erklärt:

„Mit dem geplanten Bundestariftreuegesetz verabschiedet sich der Staat endgültig von der Idee des fairen Wettbewerbs. Die Bundesregierung will künftig nur noch tarifgebundene Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zulassen – das ist ein offener Angriff auf die Tarifautonomie und eine wirtschaftspolitische Bankrotterklärung.

Immer mehr Beschäftigte wenden sich von den Gewerkschaften ab. Staatlich organisierter Tarif-zwang wird diesen Trend zur Schwächung der Gewerkschaften noch verstärken, die Tarifautonomie weiter demontieren und den – gerade in ostdeutschen Regionen – starken Mittelstand bei öffentlichen Aufträgen erheblich benachteiligen.

Tarifautonomie bedeutet Freiheit zur Bindung – aber ebenso zur Nichtbindung. Dieser Grundsatz ist durch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes geschützt. Der Staat hat sich hier grundsätzlich neutral zu verhalten – genau dieser Konsens wird mit dem Gesetz aufgekündigt. Dass nun ausgerechnet die CDU unter Bundeskanzler Merz zur Abwicklung der Sozialen Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards beiträgt, ist bitter.“

 

Dr. Jörg Brückner, Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW), erklärt:

„Wenn der Staat künftig nur noch mit tarifgebundenen Unternehmen Geschäfte machen will, dann sollte er folgerichtig auch auf die Steuergelder der übrigen Betriebe verzichten. Die versprochene Wirtschaftswende wird nur gelingen, wenn Politik den Mut findet, den in den letzten Jahrzehnten angestauten dogmatischen Ballast abzuwerfen. Mehr Freiheit wagen ist das Gebot der Stunde. Lassen wir die ideologischen Grabenkämpfe hinter uns. Die Krise der Gewerkschaften ist hausgemacht. Niemand kann deren Hausaufgaben übernehmen, Beschäftigte von einer Mitgliedschaft zu überzeugen. Zwang wird das Gegenteil bewirken. Fehlende Tariftreue-Regelungen kann man nun wirklich nicht für das katastrophale Wahlergebnis der SPD verantwortlich machen. Schauen wir uns doch die gegenwärtigen Personalabbau-Beschlüsse namhafter tarifgebundener Unternehmen an – ist das wirklich ‚Gute Arbeit‘?

Ist es richtig, bei der Förderung von Großansiedlungen der Chip-Industrie auf jegliche Tariftreueregelungen verzichtet zu haben? Kommt nun der Bund u.a. im Bereich Defence ohne die dringend benötigten Chips aus? Der große Sozialdemokrat Kurt Schumacher hatte recht: ‚Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.‘ Am Ende ist dieses Gesetz nichts anderes als ein wirtschaftliches Selektionsprogramm – mit absehbaren Folgen: weniger Aufträge, weniger Arbeitsplätze, weniger Steuereinnahmen und damit auch weniger Verteilungsspielraum des Staates.“

 

Hartmut Koch, Präsident des Verbands der Wirtschaft Thüringens (VWT), erklärt:

„In den mitteldeutschen Bundesländern liegt die Tarifbindung der Betriebe laut IAB bei gerade einmal 16 % in Sachsen, 18 % in Thüringen und 22 % in Sachsen-Anhalt. Unter den Beschäftigten sind es rund 41 % bis 46 %. Das zeigt: Der Mittelstand hat sich mit seinen Beschäftigten vielfach aus der Tarifbindung gelöst – nicht aus Verantwortungslosigkeit, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Doch statt diese Realität anzuerkennen oder ihr konstruktiv zu begegnen, ignoriert das geplante Gesetz die betrieblichen Herausforderungen – und zementiert die strukturelle Benachteiligung nicht tarifgebundener Unternehmen. Ausgerechnet jener Mittelstand, den die Politik in Sonntagsreden regelmäßig als ‚Rückgrat der Wirtschaft‘ lobt, wird damit faktisch vom öffentlichen Markt ausgeschlossen.“

 

Ansprechpartner

Jan Pasemann
Verbandssprecher
AWSA Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V.
0152 54594769
pasemann@vme.org

Thomas Kunz
Verbandssprecher
VSW Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V.
0172-7629842
thomas.kunz@hsw-mail.de

Dr. Ute Zacharias
Verbandssprecherin
VWT Verband der Wirtschaft Thüringens e. V.
0173 8899743
ute.zacharias@vwt.de

AGVT

Lossiusstraße 1
99094 Erfurt

Kontakt

E-Mail: info@agvt.de
Tel.: 0361 6759-0
Fax: 0361 6759-222

Mo-Do: 8-17 Uhr, Fr: 8-15 Uhr

Top lockenvelopephone-handsetmagnifiercross-circle